Montag, 19. September 2005

Nach der Wahl ist vor der Wahl ...

unser Kanzler Gerhard Schröder hat es wirklich nicht leicht mit seinen Anhängern. Erst verliert er ein Bundesland nach dem anderen an die Opposition und dann auch noch das Vertrauen der eigenen Fraktion im Bundestag. Und das nur wegen steigender Arbeitslosigkeit, Reformstau oder einem Skandal um den Koalitionspartner. Doch zum Glück ist das Gesellschafts- und das Mediengedächtnis ein Kurzzeitgedächtnis. Ein Lächeln und einen kurzen Personalwahlkampf später schwimmt er schon wieder ganz oben auf der Welle. Plötzlich verstummen alle Rufe nach Abschaffung von Hartz4. Das sind nämlich wichtige Reformschritte des Kanzlers. Und nach der Neo-Liberalismus-Schelte der neuen Intelligenz-Linken hat man eigenen Reformen den Rotstift angedroht. Der CDU unterstellt man Kriegshetze, da diese sich auf UN-Mandate ausrichten wollte. Rot-Grün als Verantwortliche für die ersten Truppen seit dem zweiten Weltkrieg in Serbien, Afghanistan oder in Afrika bleiben bei dieser Diskussion außen vor.

Wichtig ist dem deutschen Bieder-Bürger dass sich jemand um sein soziales Gewissen kümmert, welches er selbst gerade nicht finden kann - und das bloß alles so bleibt wie es ist, nur irgendwie besser und fröhlicher. Das verspricht unser Kanzler - Er lebe hoch !!!


Wer hier von nötigen Einschnitten redet, von strukturellen Veränderungen kann ja nichts weiter im Sinn haben als das gemütliche soziale Netz durch missachtende soziale Kälte zu ersetzen. Das ist gemein. Die Schweine. Jobs kommen nämlich ganz automatisch durch Wirtschaftswachstum. Man muss da nur irgendwie die Wirtschaftspolitik so in den Wind stellen, dass sie von internationalem Wachstum gepackt und im Sauseschritt davon getragen wird. Kommt man dann trotzdem nicht so recht in Fahrt liegt das an TerroristInnenen in Hochhäusern oder Schulen, an der blöden Computerindustrie oder generell an diffusen weltweiten Strukturproblemen, verursacht durch einen Trend den nun wirklich niemand vorher gesehen hat: Globalisierung !!! Das ist wahrscheinlich was böses, also Vorsicht. In einem zweiten Schritt erhöht man dann die Tariflöhne solange bis die Binnennachfrage steigt. Das hat nach dem zweiten Weltkrieg auch schon geholfen.


Die Süddeutsche hat eine kurze HartzIV-Streichliste zusammengetragen, das sind die Reformen zur Entlastung der Staatsfinanzen. Trotzdem ist es der Regierung in den letzten Jahren gelungen satte 48 Steuern zu erhöhen - ich wußte nichtmal daß es überhaupt so viele gibt - und obendrauf nochmal die Staatsverschuldung zu erhöhen.

Egal, beide Kandidaten haben ja den Auftrag der Wähler zur Bildung einer Regierung erhalten, so jedenfalls nach eigenen Aussagen. Da 90% der möglichen Koalitionen im Vorfeld ausgeschlossen wurden bleibt ja nur noch Schwarz-Gelb-Grün ("Jamaika-Koalition"), LinksPartei-Gelb-Grün als Minderheitsregierung oder ein Militärputsch. Bin schon ganz gespannt.

Der Georg Milbradt spricht in der Süddeutschen schon von Mutlosigkeit als Grund für das Wahldebakel. Gysi findet das ganz lustig - wie er sich vorgenommen hatte wurde der Bundestag kräftig durcheinnander gewirbelt. Die Linkspartei und die FDP kommen als Sieger der Wahlen hervor. Sozusagen die beiden demokratischen Extreme. Die Tendenz zur Mitte scheint durchbrochen oder gar die Gesellschaft gespalten? Flucht nach vorn oder Schritt zurück? Die großen Parteien haben keine Vorschläge um die Probleme der Wirtschaft zu lösen und gleichzeitig den Menschen ein Gefühl von Sicherheit zu geben. Wer auch immer Kanzler wird steht vor der Schwierigen Aufgabe dem Bürger mitzuteilen, daß er sich fortan besser um sich selbst kümmert. Der Staat wird sich wie jedes große Unternehmen vermehrt auf seine Kernaufgaben konzentrieren, den Schrumpfenden Haushalten werden mehr und mehr soziale Leistungen zum Opfer fallen. Keine der Parteien kann sich dem entziehen, auch wenn Gregor Gysi das von seiner Partei meint.


Wenigstens war es ein schöner Wahlsonntag. Bei schönstem Sonnenschein war ich in meinem Lieblingsjacket zur Stimmenabgabe und nach einem Mittagsschlaf noch mit Rese einen Kaffee trinken in der Stadt. Das war schön. Sogesehen hab ich nichts gegen Neuwahlen, am besten nach meinem Diplom im Frühjahr, wenn die Sonne wieder scheint.

Am Abend hat unser Kanzler dann noch die Medien gescholten (--> klick). Der sollte mal nicht vergessen wo er ohne ein Fernseh-Duell gelandet wäre. Vielleicht war er auch nur ein bissl kaputt. Die Frau Merkel sah auch müde aus.

Am Samstag feierte mein kleiner Michael seinen 25. Geburtstag. Eine sehr schöne Party mit vielen Freunden. Sobald ich die Bilder habe werde ich hier noch ein paar veröffentlichen.

Ihr könnt ja einen Comment schreiben, wenn euch noch eine Regierungskoalition einfällt :-)

Bis bald
Dietzi